2. Kapitel II: Verbotene
AI-Praktiken
Liste mit Inhaltsangabe des Kapitel II „Verbotene
KI-Praktiken“ der AI Act (Verordnung (EU)
2024/1689). Dieses kurzgehaltene Kapitel besitzt eine
inhaltliche hohe Bedeutung, weil es absolute Verbote
für bestimmte KI-Einsätze enthält.
Artikel 5 – Verbotene
KI-Praktiken
Der Artikel nennt eine abschließende Liste von
KI-Anwendungen, die innerhalb der EU strikt
verboten sind. Es handelt sich um Anwendungen, die mit den
Grundrechten, der Menschenwürde und der öffentlichen Sicherheit
unvereinbar sind.
Die Verbote gelten unabhängig vom Risiko-Level oder
einer möglichen Risikokontrolle. Mit anderen Worten: Auch wenn ein
Anbieter Sicherheitsmaßnahmen verspricht, sind diese Praktiken in der EU
nicht zulässig.
1. Unzulässige
Beeinflussung des Verhaltens
Verboten sind KI-Systeme, die:
- Techniken der Unterbewusstseins- oder
Verhaltensmanipulation nutzen,
- mit dem Ziel, das Verhalten von Personen wesentlich zu
beeinflussen,
- und die dadurch Schäden oder erhebliche Risiken für
Gesundheit, Sicherheit oder Grundrechte verursachen
können.
Beispiel: Ein KI-System, das unbemerkt Suchergebnisse so manipuliert,
dass eine Person riskante Entscheidungen trifft (z. B.
gesundheitsschädliche Handlungen).
2.
Ausnutzung von Schwächen bestimmter Gruppen
KI-Systeme dürfen nicht darauf abzielen, die
Verletzlichkeit von Personen auszunutzen, z. B.
aufgrund von:
- Alter (Kinder, ältere Menschen),
- körperlicher oder geistiger Behinderung,
- sozialer oder wirtschaftlicher Lage.
Beispiel: Eine App, die Kinder mit psychologisch manipulativen
Techniken zum Kauf unnötiger Produkte animiert.
3. Sozialbewertung
(Social Scoring)
Verboten ist die Verwendung von KI durch Behörden oder
öffentliche Stellen zur Erstellung von Sozialwertungen
von Personen (vergleichbar mit „Social Credit Systems“).
Charakteristik:
- Bewertung des sozialen Verhaltens oder der persönlichen
Eigenschaften einer Person.
- Nutzung dieser Bewertung für Nachteile oder Bevorzugungen, die
unangemessen oder unverhältnismäßig sind.
Beispiel: Wenn eine Stadtverwaltung über ein KI-System die
„gesellschaftliche Nützlichkeit“ von Bürgern bewertet und darauf Zugänge
zu Leistungen beschränkt.
4.
Echtzeit-Fernidentifikation mit biometrischen Systemen im
öffentlichen Raum
Die Nutzung von Echtzeit-Systemen zur biometrischen
Fernidentifikation (z. B. Gesichtserkennung) in
öffentlich zugänglichen Räumen durch
Strafverfolgungsbehörden ist grundsätzlich verboten.
- Definition: Systeme, die in Echtzeit Personen im
öffentlichen Raum mit Datenbanken abgleichen.
- Grund: Sie stellen eine Gefahr für Privatsphäre,
Versammlungsfreiheit und Menschenrechte dar.
Enge
Ausnahmen (nur bei richterlicher oder gesetzlich geregelter
Genehmigung):
- Suche nach Opfern bestimmter Straftaten (z. B.
Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindern).
- Abwehr einer unmittelbaren terroristischen
Bedrohung.
- Identifizierung von Personen, die wegen schwerer Straftaten gesucht
werden.
Wichtig: Diese Ausnahmen sind streng reguliert, zeitlich und räumlich
begrenzt, und unterliegen richterlicher bzw. gesetzlicher Kontrolle.
5.
Nachträgliche biometrische Identifikation („Post-Remote
Identification“)
Auch der nachträgliche Einsatz von biometrischer Identifikation
(Analyse von Videomaterial nach einem Ereignis) ist nur unter engen
Bedingungen zulässig:
- Muss gesetzlich ausdrücklich erlaubt sein.
- Muss verhältnismäßig und notwendig sein.
- Unterliegt strengen Aufsichtsregeln.
Bedeutung von Kapitel II
- Kapitel II ist das Herzstück des Grundrechtsschutzes im AI
Act.
- Während Kapitel III (Hochrisiko-Systeme) Pflichten auferlegt, setzt
Kapitel II absolute Grenzen.
- Die Verbote spiegeln zentrale Werte wider: Schutz der Menschenwürde,
Verhinderung von Massenüberwachung, Schutz vor Ausbeutung vulnerabler
Gruppen.
Kurz zusammengefasst
Verbotene KI-Praktiken sind:
- Manipulation durch unterbewusste Techniken.
- Ausnutzung von Schwächen vulnerabler Gruppen.
- Sozialbewertungen (Social Scoring) durch Behörden.
- Echtzeit-Fernidentifikation mit biometrischen Daten in öffentlichen
Räumen (mit engen Ausnahmen).
- Streng kontrollierte nachträgliche biometrische
Identifikationen.